Ganz Amerika befindet sich im Schock und ist in Trauer. Man kann sich an die immer wiederkehrenden Amokläufe, die Massentötungen nicht gewöhnen. Sie gleichen sich zwar mehr oder weniger, auch die Trauerrituale. Aber sie bohren sich stets aufs Neue tief in die Menschen, nicht nur die Angehörigen. Der Schmerz ist echt und braucht erst gar nicht telegen inszeniert zu werden.
Feigheit ist ein unbekannt gewordener Begriff. Seit längerer Zeit versteht man das entscheidungslose, empfindlich windgewendete Verhalten als modern und vernünftig, würdig einer pluralistischen, multikulturellen Gesellschaft. Es existieren keine Kriterien oder Merkmale für Feigheit, weil auch keine für das Gegenteil existieren. Die Werte sind verschwommen und Verantwortung ist, entsprechend der hochkomplexen gesellschaftlichen Organisation derart spezifisch, partikular verteilt, dass sie unmerklich wurde, allgemein, diffus.
Kolumne “Wort zum Sonntag”, Haimo L. Handl, 23. 9. 2012
Wir leben in eigenartigen Zeiten. Einerseits intensiviert sich die Empörungskultur politisch und kulturell, andererseits beklagen wir ein politisches Desinteresse. Einerseits finden Künstler und Künste zu vordergründigen Politaktionen, andererseits schwelgt die Szene in stereotypen Unterhaltungshäppchen ohne eigene Stimme, ohne eigenes Profil, prefabriziert und leicht konsumierbar. Offensichtlich schließt das Eine das Andere nicht aus.
Kolumne “Wort zum Sonntag” von Haimo L. Handl, 29. 4. 2012
Eigentlich wollte ich über das neue Protestklima schreiben, über die Occupy-Bewegung, den sich langsam aber kontinuierlich ausbreitenden Protest gegen die Hochfinanz, gegen die Unfähigkeit der Politik, gegen die Ausbeutung, den Betrug. Was für einige (noch) keine Bewegung ist, sondern ein neidischer Jammerhaufen, ist für andere das Heraufdämmern einer Revolte. Jedenfalls ein Signal, das nicht mehr simpel übersehen und weggeredet werden kann.
Kolumne “Wort zum Sonntag” von Haimo L. Handl, 23. 10. 2011