Der Jahreswechsel wird in allen Kulturen rituell gefeiert. Auch moderne Gesellschaften pflegen ihn archaisch, mythisch. Noch in den kommerziellsten Umtrieben von Silvester- und Neujahrsveranstaltungen stecken uralte Vorstellungen. Als ob. Als ob es ernst zu nehmen wäre. Als ob man sich selber traue und vertraue. Als ob Zeit eine Göttin wäre, eine unheimliche Kraft. Als ob der Kalender magisch vorschriebe.
Kolumne “Wort zum Sonntag” von Haimo L. Handl, 2. 1. 2011
Bis vor kurzem sagte man stolz: “Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s allen gut.” Seit den Raubzügen und staatlichen Umverteilungshilfen zugunsten der Reichen und Superreichen hat der Slogan etwas von seinem Charme eingebüßt. Im Kulturbereich gilt scheinbar eine entgegengesetzte Logik: Geht’s allen schlecht, geht’s der Kunst besonders gut. Einer gewissen zumindest. Kunst ist nicht l’art pour l’art, sondern Mittel und Zweck für Kunstfremdes: für Tourismus (früher “Fremdenverkehr” genannt!), für Städtebau, für Politimage und Prestige, für Politik und Weltoffenheit. Neuerdings auch als Ausweis für Sozialengagement und Multikulturalismus.
Kolumne “Wort zum Sonntag” von Haimo L. Handl, 16.05.2010
Gegenwärtig beschäftigt wieder ein literarischer Plagiatsfall die Szene. Ein von den Medien und der Kritik auserkorener Shooting Star, die siebzehnjährige Helene Hegemann hat nachweislich seitenweise aus einem Text eines Bloggers, Airen, abgeschrieben und sich erst nachträglich auf fragwürdige Art entschuldigt bzw. die Sache abgetan, sie habe nur den heute geltenden Regeln der remix & copy-and-paste-culture entsprochen. Zudem hätte sie eh, in der zweiten Auflage, den Autor erwähnt etc. Auch sei die Stoffverwendung eine Art in Kommunikation treten mit dem Autor gewesen, sozusagen eine Hommage.
Kolumne “Wort zum Sonntag” von Haimo L. Handl,
14. 2. 2010
Dauernd dürfen wir in unseren Medien lesen, sehen und hören, dass jemand etwas getan habe, aber nur mutmasslich, auch wenn die Folgen der Tat(en) konkret und real sind und keine Frage vorsichtiger Mutmassung.
Kolumne “Wort zum Sonntag” von Haimo L. Handl, 3. 1. 2010
Der Titel ist eigentlich ein Pleonasmus, denn Journaille ist Schmiere. Die bewusste Verbindung soll die Betonung verstärken, weil viele heute die negative Bedeutung von Journaille vielleicht nicht mehr kennen. Die meisten Boulevardblätter sind dieser Gattung zuzurechnen, hier und anderswo. In Österreich schreibt das Schmierblatt ”Österreich” z. B.: “Zeugen Jehovas verhindern U2-Konzert. – Wien Tourismus bedauert U2-Absage.”
Kolumne “Wort zum Sonntag” von Haimo L. Handl, 9. 8. 2009