Als der chinesische Autor Mo Yan kürzlich den Nobelpreis für Literatur erhielt, erschollen im Westen wie im Osten, besonders auch in China, kritische Stimmen, die ihm ankreiden, dass er ein regimetreuer Bestsellerautor sei. Fast überall wurde primär Politik und Ideologie zum Beurteilungsgegenstand, eine gewisse gutmenschlerische Moral, und vereinzelt auch Bezweiflungen seiner literarischen Qualität.
Kolumne “Wort zum Sonntag” von Haimo L. Handl, 11. 11. 2012
Bei Künstlern wird meist gelobt, dass sie “keinen Millimeter von ihrer Linie abweichen”, dass sie völlig kompromisslos ihre Vorstellung durchzusetzen suchen. Was woanders als Borniertheit, als negative Sturheit kritisiert werden kann, erscheint hier vorbildhaft als Tugend. Aber machen wir uns klar, Kompromisse so zu verteufeln, ihr Gegenteil als Tugend zu preisen, fordert einen hohen Preis. In die Welt der Politik oder Wirtschaft übertragen ist es gerade die Kompromisslosigkeit, die zu Terror und Krieg, zu Verderben und Niedergang führt. Wie eigentümlich, dass in der Kunst diese Haltung so gepriesen wird.
Kolumne “Wort zum Sonntag”, Haimo L. Handl, 29.7.2012
Die instrumentalisierte Grass-Affäre, die wüsten Beschimpfungen und Verurteilungen des Autors Günter Grass als Antisemiten, Nazi und SS-Mann, weil er in einem Gedicht, einer typischen Gebrauchslyrik, eine Kritik an den bekannten Kriegsplänen Israels gegen den Iran äußerte, belegt eine tiefe Malaise im “Westen”, die herrschende Doppelmoral und den Terror der selbstgerechten “Tugendhaften”.
Kolumne “Wort zum Sonntag”, Haimo L. Handl, 22.4.2012
“Der Kulturinfarkt” heißt reißerisch der Titel eines Buches, das erst am 20. März ausgeliefert wird, aber nach einer ankündenden Textprobe im Spiegel bereits zu heftigen Reaktionen führte. Vier Herren lamentieren nicht nur, sondern empfehlen polemisch und provokant, die Kultursubventionen mindestens um die Hälfte zu kürzen, weil für Kultur zuviel Geld aufgewendet werde, und dieses vor allem für zu viel Gleiches bzw. zum Selbsterhalt des verrufenen Apparats diene.
Kolumne “Wort zum Sonntag” von Haimo L. Handl, 18. 3. 2012
Wir leben in finsteren Zeiten. Das ist nicht nur ein Zitat, sondern auch eine aktuelle Feststellung. Berühmt geworden ist die Aussage durch Bertolt Brechts Gedicht, das er im Exil schrieb: “An die Nachgeborenen”. Besonders drei Zeilen aus dem ersten Abschnitt sind Allgemeingut geworden: “Was sind das für Zeiten, wo / Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist / Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!”
Kolumne “Wort zum Sonntag” von Haimo L. Handl, 11. 3. 2012